Geschichte und Entstehung

Geschichte und Entstehung des Eberstädter Bürgervereins von 1980 e.V.

Interessengemeinschaft Eberstädter Bürger 

Bis in die ersten 70er Jahre hinein bestanden im Stadtteil Eberstadt Veränderungssperren bzw. Bausperren aus verschiedenen Gründen. So blieben die alten Häuser, die engen Straßen der Stadtteilmitte in einem Zustand, der sich nicht wesentlich von dem der unmittelbaren Nachkriegszeit unterschied. Trotz einiger Planungsüberlegungen in den 50er und 60er Jahren gab es keine sichtbare, akzentuierte, positive Fortentwicklung der Stadtteilmitte. Kurzum, die Mitte des Stadtteils Eberstadt befand sich in einem Zustand der Stagnation hinsichtlich ihrer städtebaulichen Entwicklung.

Verständlicherweise entstand einerseits Unmut in der Bevölkerung darüber, dass es keine konkreten baulichen Pläne gab, weil vielfach aufgrund der bestehenden Veränderungssperre Bauwünsche der Bürger nicht realisiert bzw. Bauanträge nicht genehmigt wurden. Auf der anderen Seite herrschte in der Bevölkerung große Unruhe und Unsicherheit, weil nicht klar war, wohin die Richtung der Stadtteilentwicklung gehen würde. Es gab keine verbindlichen Vorstellungen darüber, wie die Stadtteilmitte weiterentwickelt werden sollte.

Als in den Jahren 1971 – 1973 verschiedene Entwicklungsalternativen durch die offizielle Stadtplanungsstelle vorgestellt wurde, begann eine lebhafte Diskussion. U.a. stand im Mittelpunkt der Diskussion die Frage, ob die Stadtteilmitte eine Verdichtung ihrer Bebauung erfahren und durch Umstrukturierungsmaßnahmen, wie viergeschossige Bebauung, eine anderes Gesicht erhalten solle. Ganz besonders bewegte die Bürger des Stadtteils die Frage, ob nach den Regeln des Städtebauförderungsgesetzes oder denen des Bundesbaugesetzes bei der Stadtteilentwicklung vorgegangen werden sollte.

In dieser Situation bildete sich im Frühjahr 1974 eine Interessengemeinschaft Eberstädter Bürger, die in verstärktem Maße mit Stellungnahmen zur Stadtteilentwicklung an die Öffentlichkeit herantrat. Zielsetzung dieser Interessengemeinschaft war es, im angelaufenen Planungsprozess mit gehört und mit beteiligt zu werden. Vor allem wandte sich die Interessengemeinschaft dagegen, dass im Rahmen der geplanten Stadtteilentwicklung Eberstadt zum Sanierungsgebiet erklärt und „gesunde Strukturen“ zerstört werden sollten.

Mit großer Leidenschaft bekämpfte sie auch Tendenzen im Rahmen der vorgelegten Entwicklungskonzepte, welche zum Abriss alter, historischer Bausubstanzen geführt hätten.

Eberstädter aufgepasst! 

So lautete jede Überschrift der Flugblätter von der “Interessengemeinschaft Eberstädter Bürger” (IGEB) Anfang der siebziger Jahre. Aus dieser aktiven Gemeinschaft entwickelte sich der “Eberstädter Bürgerverein”, der dann 1980 gegründet wurde.

Anfänge

Und so hat alles angefangen.

Man munkelte, dass sich in Eberstadt endlich, nach jahrelangem Baustopp, für den Ortskern etwas tun sollte. Eine B426 gab es noch nicht und die B3 ging mitten durch den Ortskern.

Von einem Hallenbad, Bürgerzentrum, dringend benötigten Schulen, von einer neuen Straßenbahntrasse und vielem mehr war da die Rede. Aber auch von einem Städtebauförderungsgesetz, von einem Ortskern-Sanierungspaket, von viergeschossiger Bauweise und von Abriss wurde gesprochen. Viele Eberstädter wurden unruhig.

Der 1970 begonnene öffentliche Planungsprozess erreichte dann seinen ersten Höhepunkt mit einer Ausstellung im Rathaussaal, bei der ein Modell des neuen Eberstadts gezeigt wurde. Dieser öffentliche Planungsprozess war neu für die Bürger, aber auch für den Magistrat und die Kommunalpolitiker. Der Schock für die Betroffenen von Katharinenstraße bis Dreifaltigkeitskirche war groß – der Eberstädter Ortskern ein Sanierungsfall! Die Planung für das Sanierungsgebiet sah zunächst Abbruchmaßnahmen ab den achtziger Jahren vor. Ein neuer Ortskern war als Modell entstanden. Viergeschossige Häuser, die Straßenbahn fuhr durch die Bürgergärten. Hallenbad und Bürgerzentrum mittendrin. Das Modell sah gut aus, es hatte nur einen Nachteil der in letzter Konsequenz Enteignung hieß, da das Städtebauförderungsgesetz angewandt werden sollte.

Das Modell über die geplanten Änderungen aus dem Jahre 1973 ist im Neubau der Geibelschen Schmiede, dem Domizil des Eberstädter Bürgervereins, aufgebaut und bei Veranstaltungen Anziehungspunkt für Jung und Alt.

Gründungsmitglied Peter Föhrenbach und die Eberstädter sahen rot! 
Der Stadtteil spaltete sich in zwei Lager, Gegner und Befürworter, ja schlimmer noch in Freunde und Feinde.
Es ist sicher richtig, wenn festgestellt wird:

Soviel wie zu dieser Zeit hatte und hat das Darmstädter Echo nie über Eberstadt berichtet.

Im Februar 1974 erschienen über 25 Berichte, nicht berücksichtigt die Zahl der vielen Leserbriefe, über den Stadtteil Eberstadt. Sprichwörtlich über Nacht wurden die Eberstädter aktiv.

Unverzüglich nach Eröffnung der Planungsausstellung bildete sich eine Bürgergruppe ausgestattet in wenigen Tagen mit über 2000 Unterschriften und großer finanzieller Unterstützung aus der breiten Bürgerschaft. Die IGEB wurde ganz schnell eine stabile feste Institution für Eberstadt. Hartnäckig und aufsässig.

Halbseitige Anzeigen im Darmstädter Echo, Flugblätter, Politikergespräche, Podiumsdiskussionen, Radiointerviews und Straßenstände waren nur einige der Aktionen der Interessengemeinschaft. Selbst in Bonn wurde die IGEB vorstellig.

Die Meinungen der Bürger und Parteien überschlugen sich. Nach dem Motto:

Vereint sind auch die Schwachen stark”

arbeitete die IGEB.

Die IGEB war stark, sicher nicht immer ganz sachlich, nicht gewohnt gegenüber dem Magistrat ausgewogene Worte zu finden, aber alles zusammen bewirkte Nachdenken und vor allen Dingen Umdenken. So lautete dann die Überschrift eines Darmstädter Echo-Berichtes vom 26.02.1974:

Reißer zieht Sanierungsvorlage zurück.

Was war passiert? Ein Stadtbaurat hat die Argumente hunderter Eberstädter Betroffenen akzeptiert und umgedacht. Eberstadt ist kein Sanierungsgebiet im Sinne des Städtebauförderungsgesetzes und seinen gravierenden Auswirkungen. Den Bemühungen der Interessengemeinschaft Eberstädter Bürger ist es also zuzuschreiben, dass auf die Anwendung des Städtebauförderungsgesetzes verzichtet und eine Entwicklung eingeleitet wurde, die zu einer maßvollen und behutsamen Gestaltung der Eberstädter Stadtteilmitte führte. Es wurden Bebauungspläne für die Stadtteilmitte vorgelegt und entwickelt, welche Voraussetzungen für die Beseitigung der Mängel an Wohnqualität durch Um-, An- oder Neubauten schufen, ohne dass der Abriss von erhaltenswerten Gebäuden erforderlich war.

Konnten wir jetzt den Erfolg feiern? Mitnichten, denn jetzt hatte Eberstadt ja wieder nichts. Keinen Bebauungsplan, keine Entlastungsstraßen, keinen Bürgersaal und vieles mehr auch nicht. Aber durch die Vorgeschichte war Eberstadt aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Die Emotionen ebbten ab, die „Interessengemeinschaft Eberstädter Bürger” blieb.

Eberstädter kamen zu Ihrer IGEB um Probleme Sorgen und Missstände des Stadtteils vorzubringen und um gemeinsame Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Magistrat, Stadtverordnete sowie Parteien akzeptierten die IGEB und circa ab 1976 waren wir mehr oder weniger anerkannte Gesprächspartner.

Man hört uns an! 

In vielen Fragen und Überlegungen war unsere Meinung gefragt. So war die IGEB ganz aktiv beteiligt bei der Durchsetzung der B426 und der Umgestaltung der B3, dem Baugebiet Wohlfahrtsweg, Eberstädter Osten, bei der Rückgewinnung des Ernst Ludwig Saals, bei der Aktion “Straßenkehren in eigener Regie.” Und nicht zuletzt bei der Erhaltung der “Geibelschen Schmiede”, der Heimat des Eberstädter Bürgervereins.

Im Archiv des Eberstädter Bürgervereins von 1980 e.V. hat die IGEB einige Aktenordner gefüllt und damit den Nachweis erbracht , dass aktiv gelebte Wachsamkeit der Bürger und Interesse an dem Ort „Heimat“ lohnt und belohnt wird.

Gründungsversammlung am 25.04.1980 

In der Erkenntnis, dass die Bürger sich weiterhin kritisch und kreativ an der Kommunalentwicklung beteiligen sollten, wurde am 25. April 1980 aus der bestehenden Interessengemeinschaft Eberstädter Bürger der Eberstädter Bürgerverein gegründet.

Die Gründungsversammlung fand in der Wohnung von Helmut Kern, Darmstadt-Eberstadt, Thomasstr. 10 statt.

Die Gründungsmitglieder waren:

  • Walter Kern sen.†, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heinrich-Delp-Str. 49
  • Ernst Diether Eidemüller †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, In den Rödern 46
  • Armin Mayer †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heinrich Delp-Str.
  • Walter Bender †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Löfflerweg 17
  • Karl Peter Föhrenbach †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heidelberger Landstr. 405 H
  • Helmut Kern †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Thomasstr. 10
  • Helmut Johannes † , wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heinrich-Delp-Str. 23
Gründungsversammlung

Gründungsversammlung am 25.04.1980 

In der Erkenntnis, dass die Bürger sich weiterhin kritisch und kreativ an der Kommunalentwicklung beteiligen sollten, wurde am 25. April 1980 aus der bestehenden Interessengemeinschaft Eberstädter Bürger der Eberstädter Bürgerverein gegründet.

Die Gründungsversammlung fand in der Wohnung von Helmut Kern, Darmstadt-Eberstadt, Thomasstr. 10 statt.

Die Gründungsmitglieder waren:

  • Walter Kern sen.†, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heinrich-Delp-Str. 49
  • Ernst Diether Eidemüller †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, In den Rödern 46
  • Armin Mayer †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heinrich Delp-Str.
  • Walter Bender †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Löfflerweg 17
  • Karl Peter Föhrenbach †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heidelberger Landstr. 405 H
  • Helmut Kern †, wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Thomasstr. 10
  • Helmut Johannes † , wohnhaft gewesen in Da-Eberstadt, Heinrich-Delp-Str. 23
Geschichtsfakten

Geschichtsfakten ab 1980

Aktiver Verein – Lebendiger Verein 

Mit Gründung des Bürgervereins 1980 waren sich die Beteiligten darüber klar “nur ein aktiver Verein ist ein lebendiger Verein”.

Dieses Motto hat bis heute Priorität und auch weiter Gültigkeit. 

Größtes Projekt und Daueraufgabe war natürlich Sanierung und Ausbau des Anwesens Oberstraße 20. Tausende von Arbeitsstunden wurden investiert, um die Geibelsche Schmiede als ein Schmuckstück in Eberstadt erstrahlen zulassen. Wohnhaus, Schmiede, Scheune und multifunktioneller Gebäudekomplex. Der Neubau ist fast fertiggestellt. Im Januar 2000 wird auf der Empore, Bühne und der unteren Etage das Stirnholz-Parkett verlegt und im Februar 2000 wird, dank eines großzügigen Spenders, die Treppe zur Empore installiert.

Viele Aktivitäten und Veranstaltungen wurden aus finanzieller Notlage heraus geboren. Inzwischen sind es Dauerbrenner geworden, die weit über Eberstadt hinaus bekannt und beliebt sind.

“Geht nicht – gibt’s nicht !” war und ist die Devise und in der Erinnerung sieht vieles lustiger aus als es eigentlich war. Als z.B. 1986 eine wertvolle Puppenausstellung stattfand gab es zwei Möglichkeiten die Ausstellung zu sichern, erstens eine relativ teure Versicherung oder zweitens in dem unbesetzten Haus auf Klappbetten zu nächtigen. Also war klar, die Lösung hieß “zweitens”. Nachtschichten wurden eingeteilt und der Vorstand teilte sich mit den Puppen das Haus.

Feste, Kerb, verschiedenartige Ausstellungen – insbesondere wird jungen und auch ausländischen Künstlern (z.B. kroatische, polnische und ukrainische Künstler) die Möglichkeit gegeben, ihre Unikate kostengünstig der breiten Öffentlichkeit zu zeigen-, Ostereiermarkt, Kunstmarkt, Kartoffelfest, Wanderungen, Liederabende, Lesungen, Märchenerzählungen u. v. mehr gehören inzwischen zum Bestandteil Eberstädter kulturellen Lebens. Darüber hinaus kommt die kommunale Aufgabe gemäß der Satzung des Eberstädter Bürgervereins nicht zu kurz. 

Übernahme der Geibelschen Schmiede 

In Verfolgung seiner Vereinsziele, aktiv an der Erhaltung historischer Bauten des Stadtteils mitzuwirken und auf der Suche nach einer Heimstatt für seine Vereinstätigkeit und zur Einrichtung eines Heimatmuseums wurde der Eberstädter Bürgervereins von 1980 e.V. auf die sogenannte Geibelsche Schmiede aufmerksam.

Die Geibelsche Schmiede ist ein in einer der ältesten Straßen Eberstadts der heutigen Oberstraße – einst die Straße der Brauhäuser, Branntweinbrennereien und Mühlen – gelegenes Anwesen. Die angesehene Familie Geibel bewohnte das Anwesen fast 300 Jahre lang. 1956 starb mit 79 Jahren Philipp Geibel, der letzte Bewohner der Schmiede mit Namen Geibel.

Im Jahre 1979 wurde das Anwesen von der Stadt Darmstadt übernommen, nachdem es davor einige Jahre als Wohnhaus genutzt wurde. Im Jahre 1982 begannen Verhandlungen mit der Stadt und erste Aufräumarbeiten durch die Mitglieder des Eberstädter Bürgervereins von 1980 e.V. Erst als sich die Stadt Darmstadt von dem Elan und der Leistungsfähigkeit des Vereins überzeugt hatte – das dauerte bis in den Sommer 1985 -, übergab sie ihm mit notarieller Urkunde vom 31.07.1985 die Geibelsche Schmiede zu treuen Händen in Erbpacht auf 50 Jahre mit der Auflage, in Abstimmung mit der Denkmalpflege die Renovierung des Anwesens weiterzutreiben.

Baugeschichte

Baugeschichte seit der Übernahme Schmiede 1980

Wichtige bauliche Daten

Die Finanzierung des gesamten Gebäudekomplexes erfolgte anfangs durch Mittel der Denkmalpflege und Spenden und wurde später besonders durch Mittel aus dem Landesprogramm Einfache Stadterneuerung zur Förderung der einfachen Erneuerung in Stadtkernen und Wohngebieten forciert. Der Eberstädter Bürgerverein von 1980 e.V. hat seit Gründung bis zum heutigen Tag nie ein Darlehen zur Renovierung und Sanierung aufnehmen müssen.

Insgesamt wurden für alle drei Bauabschnitte mehr als 35.000 ehrenamtliche Stunden geleistet. Wollte man dies monetär darstellen, so würde dies einem Betrag von etwa 525.000 € entsprechen.

Der Samstagsbautrupp in der Geibelschen Schmiede. Aufgeschrieben von Hans Gerhard Knöll zum 20jährigen Jubiläum

Wenn ich könnte, würde ich das Folgende im Eberstädter Dialekt zu Papier bringen. Aber das geht nicht. „Du Ewwerschter, nie“, so Wolfgang Vogt zu einem aus Oberhessen zugereisten. Ich habe mich nie getraut zu antworten: „Du Grimmicher, nie“, was auch nicht sinnvoll gewesen wäre, denn es ging und geht nicht um Grünberg in Oberhessen sondern um Eberstadt. Trotz dieses „Mangels“ wollte und will ich dazugehören, zu den Ur-Ewwerschtern, die sich seit Jahren samstags zum Arbeitseinsatz in der Schmiede treffen, in wechselnder Zusammensetzung. Viele waren in den 80er Jahren ungeheuer fleißig, verschwanden wieder und andere kamen dazu. Einige wenige halten unserer Schmiede von Anfang an die Treue. Man sehe es mir nach , sie nicht einzeln mit Namen zu nennen, ich würde sicher den einen oder anderen vergessen. Also lass ich`s lieber. Wie sahen wir aus, samstags früh beim Entrümpeln, beim Abreißen von Mauern und Fachwerkfeldern, unten Gummistiefel, oben grauer Staub auf Haar und Hut, bis in die Nasenlöcher kroch er beim Abschlagen von altem Putz und Säubern von Holzbalken mit der Drahtbürste über Kopf. In der Pause ein kräftiger Schluck Bier zu Fleischwurst mit Senf und Brötchen. Rauh aber herzlich der Ton „hoste de Kall widder mol gesehe?“ „Na, Du? Isch glaab, der geht net mehr aus`m Haus enaus, dem guckt schun de Brink aus de Aache, der macht’snet mehr lang“.

Zwischendurch verließ uns auch mal der Mut, weil gerade am Anfang der Erfolg und das Ziel noch weit entfernt waren. Wie das so ist bei alten Häusern, je mehr man ihnen auf den morschen Leib rückt, um so mehr muss erneuert werden. Nicht einzelne Fachwerkhölzer wurden ersetzt, nein, ganze Wände, da wo Wind und Wetter über Jahrhunderte am Haus genagt haben. Auch die Dächer waren zu erneuern; immer ein besonderes Ereignis, wenn die ganze Mannschaft erforderlich wurde, um über eine lange Menschenkette die Ziegel auf das Dach zu schaffen. Wehe, dem vereinseigenen Dachdecker wurde der Biberschwanz falsch herum gereicht, um ihn auf die Lattung aufzulegen. Da konnte schon mal ein lautes Wort fallen, aber in aller Freundschaft versteht sich. Wir alle arbeiteten ehrenamtlich und unentgeltlich, über 20000 Arbeitsstunden unserer Mitglieder stecken in der Schmiede, darauf sind wir mit Recht stolz.

Die jährlich Anfang August stattfindende Ewwerschter Kerb war und ist für uns schon immer ein besonderes Datum. Zur Kerb sollte immer irgend etwas fertig sein, das wir unseren Besuchern mit Freude und Stolz zeigen konnten und was uns die Bewirtung unserer Gäste erleichterte.

Ganz am Anfang war es die fehlende Toilettenanlage für unsere Gäste im Hof der Schmiede. Also stellten wir kurzerhand ein blechernes Toilettenhäuschen auf. Allerdings hatten wir nicht mit unserem riesigen Erfolg gerechnet. Es sah so aus, als wollten alle Eberstädter, die des Biertrinkens und Bratwurstessens mächtig waren, mit uns im Hof und Garten der Schmiede die Kerb feiern. Dementsprechend sah hernach unser Toilettenhäuschen aus, insbesondere von innen. Also bauten wir bis zur nächsten Kerb eine komfortable viersitzige Toilettenanlage, Eberstädter, kommt alle! Was auch in den nächsten Jahren geschah. Oft herrschte in Hof und Garten ein solches Gedränge und ein ständiges Kommen und Gehen, dass wir mit dem Bierzapfen und Braten von Steaks und Bratwürsten kaum nach kamen. Aber wir waren nach der Kerb zwar alle rechtschaffen müde und rochen wochenlang nach Gegrilltem, aber auch dankbar, dass unsere Schmiede einen solchen Anklang fand.

Schließlich bauten wir alle die Querscheune, unter der wir das Toilettenhäuschen verstecken konnten, pflasterten den Hof, verbesserten wesentlich die Infrastruktur fürs leibliche Wohl unserer Gäste, taten also alles, damit sich die Ewwerschter in unserer Schmiede wohl fühlten. Die dankten und danken es uns bis heute, indem die Kerb in der Schmiede inzwischen zu einer nicht mehr wegzudenken, festen Einrichtung im Jahresablauf Eberstadts geworden ist.

Im Sommer 1994 war es endlich soweit. Mit der Baugenehmigung für das multifunktionale Gebäude im Anschluss an das Wohnhaus konnten wir endlich den 3. Bauabschnitt beginnen. Noch im November bei nasskaltem Wetter bewehrten und betonierten wir die Bodenplatte und dann ging es zügig weiter: Grundsteinlegung am 27.01.1997 und Richtfest am 29.10.1995 mit viel politischer Prominenz.

Unser damaliger Oberbürgermeister Günther Metzger, der uns von Anfang an immer sowohl moralisch als auch mit der einen oder anderen Zuwendung aus dem Stadtsäckel unterstützt hat, war so begeistert von unser Arbeit für die Schmiede, dass er uns auf dem Sommerfest 1997 spontan einen Fuder Wein spendierte, der bei der Fertigstellung des Gewölbekellers feierlich überreicht werden sollte. In einem alten Lexikon haben wir folgendes gefunden: „Fuder, altes Weinmaß, 826 bis 1200 Liter, entspricht der Ladung eines Wagens Heu“.

Das multifunktionale Gebäude ist seit Ende 1996 soweit fertig, dass es für Ausstellungen und Kleinkunstdarbietungen genutzt werden kann. Almuth Noltemeier hat es mit großem Elan in Besitz genommen und kann nun endlich die Ausstellungen so gestalten, wie sie es sich immer vorgestellt hat und die Bürger erwarten, auch wenn der Fußboden noch provisorisch mit alten Teppichen ausgelegt ist, da der Holzfußboden noch fehlt (seit Januar 2000 ist der Holzfußboden eingebaut.

Wir haben das multifunktionale Gebäude ganz bewusst in einem modernen Baustil errichtet mit viel Glas und Lärchenholzverkleidung, einem großen Schiebetor und durchaus eigenwilliger Farbgebung, aber mit steil geneigtem Satteldach mit Biberschwanzdeckung, einem Vordach in Zinkblech und somit formaler Verknüpfung mit althergebrachten Bauformen einer fränkischen Hofreite. Die Architekten Christine Kolb-Neumann und Bernd Neumann haben in Verbindung mit dem städtischen Denkmalpfleger Nikolaus Heiss eine Funktionale und sehenswerte Symbiose zwischen alt und neu entstehen lassen.

Wir haben der Stadt Darmstadt und den Eberstädter Bürgern ein bauliches Schmuckstück in Ensemble der Fachwerkhäuser in der Oberstraße geschenkt.